Mittwoch, 19. September 2012

In der Dirección Nacional de Migraciones - Die Einwanderungsbehörde


Eine Riesenhalle voller Lärm und Menschen. Schalterreihen entlang der Längswände. Lange Schlangen ziehen sich durch den gesamten Raum, Leute laufen mit Formularen in der Hand und suchendem Blick umher, Kinder wuseln um die Füße der Wartenden, die sich mit stoischer Miene dem stundenlangen Anstehen ergeben haben. Die Dirección Nacional de Migraciones erinnert an eine Bahnhofshalle oder einen Flughafen, an dem wegen Streik oder Unwetter unzählige Touristen gestrandet sind. "Wie  auf Ellis Island", hat meine Freundin Hannah gesagt und ich finde den Vergleich sehr passend. Ich bin hier, um mein Studentenvisum zu beantragen. Erst mal bin ich wie erschlagen von all dem Gewusel um mich herum und habe keine Ahnung, wohin  oder an wen ich mich wenden muss.

Das Gebäude selbst war schon nicht leicht zu finden. Es liegt etwas zurückgesetzt an der Avenida Antártida Argentina nahe dem Bahnhof Retiro, ein unscheinbares, gelbes Gebäude, in dem sich passenderweise auch das Museo Nacional de la Inmigración befindet. Aber an der langen Schlange vor dem Gebäude und dem Knäuel Menschen, das sich um einen im Eingang stehenden Polizisten in orangener Weste drängt, kann man erkennen, dass man hier wohl richtig ist.

Der Polizist hat mich gleich hinein in die große Halle geschickt, wo ich versuche mich zu orientieren - was aber kaum möglich ist, da es hier keinerlei Orientierungshilfe gibt. Zum Glück entdecke ich einen zweiten Polizisten, der mich zum Schalter 7 schickt - ich darf durch ein Absperrband und, ohne eine Nummer zu ziehen oder mich in eine lange Schlange einzureihen, direkt zum Schalter gehen. "Ex-Mercosur", steht darüber. Wer nicht aus dem sogenannten Mercosur, d.h. Brasilien, Uruguay, Paraguay oder Venezuela, stammt, für den geht es hier im Amt etwas schneller. Der freundliche junge Mann von Schalter 7 lässt sich meinen Pass und mein Passfoto geben, nimmt mir die Abdrücke aller zehn Finger ab und schickt mich mit einem Zettel zur Schalterreihe D. Nun heißt es warten, bis ich aufgerufen werde.

Auf den Stuhlreihen um mich herum sitzen lauter Ex-Mercosur-Leute. Auch einige UBA-Austauschstudenten wie ich sind darunter. Eine Dänin aus meinem Spanischkurs ist gerade dabei ihren Visumsantrag am Schalter D3 abzuwickeln. Vor mir rutscht ein kleiner Junge auf den Knien über den Boden und schiebt selbstvergessen ein quietschgrünes Spielzeugauto vor sich her. Ich schaue immer wieder auf die Anzeigetafel über den Schaltern. Sechs Nummern sind vor mir. Eigentlich ganz gut, finde ich und denke an die vielen Geschichten von stundenlangem Warten, die mir von verschiedenen Seiten erzählt worden sind. Lange tut sich nichts mit den Nummern auf der Anzeigetafel.  Dafür werden, zur Erbauung der Wartenden, Fotos und Zitate ehemaliger Einwanderer eingeblendet, die sich allesamt lobend über ihre neue Heimat äußern - Argentinien sei das beste Land der Welt, sagen so oder so ähnlich der Asiate, der Afrikaner, der Nordeuropäer, der Mexikaner, und schwärmen von den Vorzügen des argentinischen Staates, der argentinischen Mentalität und Kultur.  Mit der Wirklichkeit der Einwandererfamilien, die schon einen halben Tag hier anstehen, haben diese Aussprüche nicht viel zu tun.

Irgendwann geht es doch voran. Nach und nach werden meine Sitznachbarn aufgerufen und dann bin auch ich an der Reihe. Pass, Immatrikulationsbescheinigung der Uni, argentinisches Führungszeugnis werde verlangt. Außerdem muss ich Adresse, Telefonnummer und die Namen meiner Eltern angeben. Dann werde ich zum Zahlen der Migrationsgebühr geschickt. Dann zig Formulare unterschreiben. Dann wieder warten. Doch ich habe Glück: an meinen Unterlagen wird nichts beanstandet und die junge Frau, die meinen Antrag bearbeitet, ist sehr flink. Nach insgesamt einer Stunde kann ich die Behörde wieder verlassen: ich bekomme eine Bescheinigung in die Hand gedrückt, werde gebeten in ca. 20 Tagen mein Visum abzuholen und kann gehen. So schnell und problemlos läuft es nicht für jeden im Migrations-Amt.

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