Eine Riesenhalle voller Lärm und Menschen. Schalterreihen
entlang der Längswände. Lange Schlangen ziehen sich durch den gesamten Raum,
Leute laufen mit Formularen in der Hand und suchendem Blick umher, Kinder
wuseln um die Füße der Wartenden, die sich mit stoischer Miene dem stundenlangen
Anstehen ergeben haben. Die Dirección
Nacional de Migraciones erinnert an eine Bahnhofshalle oder einen
Flughafen, an dem wegen Streik oder Unwetter unzählige Touristen gestrandet
sind. "Wie auf Ellis Island",
hat meine Freundin Hannah gesagt und ich finde den Vergleich sehr passend. Ich
bin hier, um mein Studentenvisum zu beantragen. Erst mal bin ich wie erschlagen
von all dem Gewusel um mich herum und habe keine Ahnung, wohin oder an wen ich mich wenden muss.
Das Gebäude selbst war schon nicht leicht zu finden. Es
liegt etwas zurückgesetzt an der Avenida Antártida Argentina nahe dem Bahnhof
Retiro, ein unscheinbares, gelbes Gebäude, in dem sich passenderweise auch das Museo Nacional de la Inmigración
befindet. Aber an der langen Schlange vor dem Gebäude und dem Knäuel Menschen,
das sich um einen im Eingang stehenden Polizisten in orangener Weste drängt,
kann man erkennen, dass man hier wohl richtig ist.
Der Polizist hat mich gleich hinein in die große Halle geschickt,
wo ich versuche mich zu orientieren - was aber kaum möglich ist, da es hier
keinerlei Orientierungshilfe gibt. Zum Glück entdecke ich einen zweiten
Polizisten, der mich zum Schalter 7 schickt - ich darf durch ein Absperrband
und, ohne eine Nummer zu ziehen oder mich in eine lange Schlange einzureihen,
direkt zum Schalter gehen. "Ex-Mercosur", steht darüber. Wer nicht
aus dem sogenannten Mercosur, d.h.
Brasilien, Uruguay, Paraguay oder Venezuela, stammt, für den geht es hier im
Amt etwas schneller. Der freundliche junge Mann von Schalter 7 lässt sich
meinen Pass und mein Passfoto geben, nimmt mir die Abdrücke aller zehn Finger
ab und schickt mich mit einem Zettel zur Schalterreihe D. Nun heißt es warten,
bis ich aufgerufen werde.
Auf den Stuhlreihen um mich herum sitzen lauter Ex-Mercosur-Leute. Auch einige
UBA-Austauschstudenten wie ich sind darunter. Eine Dänin aus meinem
Spanischkurs ist gerade dabei ihren Visumsantrag am Schalter D3 abzuwickeln.
Vor mir rutscht ein kleiner Junge auf den Knien über den Boden und schiebt
selbstvergessen ein quietschgrünes Spielzeugauto vor sich her. Ich schaue immer
wieder auf die Anzeigetafel über den Schaltern. Sechs Nummern sind vor mir.
Eigentlich ganz gut, finde ich und denke an die vielen Geschichten von
stundenlangem Warten, die mir von verschiedenen Seiten erzählt worden sind. Lange
tut sich nichts mit den Nummern auf der Anzeigetafel. Dafür werden, zur Erbauung der Wartenden,
Fotos und Zitate ehemaliger Einwanderer eingeblendet, die sich allesamt lobend
über ihre neue Heimat äußern - Argentinien sei das beste Land der Welt, sagen
so oder so ähnlich der Asiate, der Afrikaner, der Nordeuropäer, der Mexikaner,
und schwärmen von den Vorzügen des argentinischen Staates, der argentinischen Mentalität
und Kultur. Mit der Wirklichkeit der
Einwandererfamilien, die schon einen halben Tag hier anstehen, haben diese Aussprüche
nicht viel zu tun.
Irgendwann geht es doch voran. Nach und nach werden meine
Sitznachbarn aufgerufen und dann bin auch ich an der Reihe. Pass,
Immatrikulationsbescheinigung der Uni, argentinisches Führungszeugnis werde
verlangt. Außerdem muss ich Adresse, Telefonnummer und die Namen meiner Eltern
angeben. Dann werde ich zum Zahlen der Migrationsgebühr geschickt. Dann zig
Formulare unterschreiben. Dann wieder warten. Doch ich habe Glück: an meinen
Unterlagen wird nichts beanstandet und die junge Frau, die meinen Antrag
bearbeitet, ist sehr flink. Nach insgesamt einer Stunde kann ich die Behörde
wieder verlassen: ich bekomme eine Bescheinigung in die Hand gedrückt, werde
gebeten in ca. 20 Tagen mein Visum abzuholen und kann gehen. So schnell und
problemlos läuft es nicht für jeden im Migrations-Amt.
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